Buchtipp: „Lichtungen“ von Iris Wolff

Der neue Roman „Lichtungen“ von Iris Wolff erzählt die Geschichte zweier Menschen, die sich auch in der Entfernung unglaublich nah bleiben. Kato, ein Mädchen, und Lev, ein Junge, kennen sich seit ihrer Kindheit in einem Dorf im Norden Rumäniens, in Siebenbürgen. Die Vielvölkerregion blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Entsprechend sehen sich die Menschen als Rumänen, Ungarn, Deutsche, Österreicher, Sinti, Juden oder irgendwas dazwischen. Beide Kinder entdecken, dass sie so verschieden aber sich dennoch ganz nah sind. Nach dem Fall des eisernen Vorhangs ergreift Kato die Chance: Sie radelt mit einem Deutschen zusammen in den Westen. Ein paar Jahre später sehen sich Lev und Kato wieder.

Erzählt wird die Geschichte vom Ende her. Der Roman beginnt mit dem neunten Kapitel und wandert schrittweise immer weiter in die Vergangenheit, die nach und nach allerlei Familiäres und Verschüttetes preisgibt.
Die sensible Erzählweise erzeugt Bilder wie zart hingetuschte Aquarelle. Sensibel beschrieben erscheinen die beiden Protagonisten und die interessanten, charaktervollen Nebenfiguren – ähnlich wie bei Franz Werfel, aber in einem modernen Gewand. Sehr, sehr lesenswert.

Iris Wolff: Lichtungen
Klett-Cotta Verlag, 256 Seiten, 24 Euro

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Kinderbuchtipp: „Ziemlich beste Schwestern“ von Sarah Welk und Sharon Harmer

Wunderbar ist der neue Sammelband von „Ziemlich beste Schwestern“. Mimi und Flo kommen immer wieder auf lustige Ideen, womit sie die Familie in Schwung halten. Ob sie mal einen Riesenkuchen backen, eine Affenparty organisieren oder ein Suppenhuhn bestatten. Dieser Band vereinigt die besten Geschichten der anderen Bücher über die beiden Schwestern. Es eignet sich sowohl zum Vorlesen als auch mit großer, gut lesbarer Schrift für leselustige Erstleser.

Sarah Welk / Sharon Harmer:
Ziemlich beste Schwestern – Die ziemlich besten Abenteuer
Ars Edition, 234 Seiten, 18 Euro
Ab 6 Jahren

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Ab in die Alpen: „Berghütte“ von Fanny Desarzens

Kennt ihr das? Ihr liegt auf dem Sofa, lest ein Buch und plötzlich seid ihr in einer Berghütte in den Schweizer Alpen. Mit einer kleinen Gruppe seid ihr in zwei Tagen hierher, zur Baïta, gewandert. Draußen neben der Hütte in der Sonne stehen die grau-weiße Stute Ariel mit langer Mähne und eine kleine schwarze Kuh mit dunklen, schönen Augen, Petite Étoile. Drei Freunde treffen sich regelmäßig hier in den Bergen, Jonas und Galel, beide Bergführer und Paul, der die Hütte bewirtschaftet. Die drei Männer sind sich vertraut, ähneln einander, sind aber auch recht verschieden, was Temperament und die Fähigkeit, Brot gerade zu schneiden, angeht. Die Schönheit der Natur zieht hier oben jeden in ihren Bann. Sie birgt aber auch Gefahren. Später passiert etwas Schmerzhaftes.

Die Schweizerin Fanny Desarzens entführt in ihrem Roman „Berghütte“ in eine ganz andere, besondere Welt. Wir wandern, geleitet von ihr und ihrer angenehmen Sprache über Bergrücken und durch Hochtäler, begegnen sympathischen Tieren und Menschen, denen schmerzhafte Erfahrungen nicht erspart bleiben. Aber man will nicht weg aus dieser harmonischen, aber mitunter fordernden Bergwelt.

Fanny Desarzens: „Berghütte“
Atlantis Verlag / Kampa, 140 Seiten, 20 Euro

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Jugendbuchtipp: „Herzklangstille“ von Julia Dessalles

Ein Buch, das zu Herzen geht. Holt die Taschentücher raus für „Herzklangstille“ von Julia Dessalles. Es geht um June, die die Trauer um ihre verstorbene Mutter verarbeitet. Ihr Vater hat ihr im verwilderten Garten eine Telefonzelle hingestellt, in der sie mit ihrer Mutter sprechen kann. Eines Tages antwortet ihr tatsächlich jemand. Sie findet zwei Menschen, die mit ihr in einer rätselhaften, schicksalhaften Verbindung stehen. Der Roman handelt vom Leben, Abschied, von Vertrauen und vom Mut gewinnen.

Julia Dessalles: „Herzklangstille“
Arctic Verlag, 364 Seiten, 20 Euro
Ab 14 Jahren

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Sachbuchtipp: „Triggerpunkte – Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft“ von Steffen Mau, Thomas Lux, Linus Westhäuser

Bauernproteste, Klimastreit, Bürgergeld … Die Gesellschaft erscheint heute so zerstritten oder gar gespalten wie noch nie. Warum ist das so und stimmt dieser Eindruck überhaupt? Einige Soziologen haben sich dieser Frage angenommen, systematisch untersucht und analysiert. Bei Suhrkamp sind die Ergebnisse als gehaltvolles Taschenbuch unter dem Titel „Triggerpunkte“ erschienen. Die Autoren kommen zu überraschenden Ergebnissen: Sie haben vier „Arenen der Ungleichheit“ in Deutschland ausgemacht, also vier zentrale gesellschaftliche Herausforderungen: Armut und Reichtum, Migration, Diversität und Gender und Klimaschutz. Zu diesen Themen herrsche in der Mitte der Gesellschaft eigentlich relativer Konsens. Aber wenn die Diskussion bestimmte „Triggerpunkte“ berührt, wird die Debatte mitunter hitzig bis schrill. Der Grund: Vor allem Gruppen von den politischen Rändern der Gesellschaft versuchen die Diskussionen zu diesen Reizthemen für sich zu nutzen, indem sie extrem polarisieren. Diese „Triggerpunkte“ sind unter anderem Gendersternchen, Tempolimit oder Clankriminalität. Hieran entbrennen sich emotionale Debatten, die mitunter gerne in der Politik genutzt werden, um Anhänger und Wähler zu mobilisieren.

Obwohl das Buch von Soziologen verfasst wurde, ist es relativ gut lesbar und hochinteressant. Es lässt sich auch als Aufforderung verstehen, gesellschaftliche Kontroversen mit einer gewissen Gelassenheit zu verfolgen und nicht den Populisten zu überlassen, sondern sich mit einzubringen.

Steffen Mau, Thomas Lux, Linus Westhäuser:
Triggerpunkte – Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft
Edition Suhrkamp, 540 Seiten, 25 Euro
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Buchtipps für Leckeres und Wärmendes: „Cosy Kitchen“ sowie „Zimtschnecke und Dinkelbrot“

Tessas Tipp für die kalten Tage: Macht es Euch zu Hause gemütlich und kocht was Leckeres. So richtig Appetit und schöne Rezepte bekommt ihr aus zwei Büchern, die Tessa euch wärmstens ans Herz legt:

 

Erstmal was Herzhaftes mit „Cosy Kitchen – deftig vegetarisch“ von Agnes Prus. Durchweg Gesundes und Schmackhaftes versprechen die sechzig vegetarische und teils veganen Rezepte. Dabei sind saisonale Zutaten, Gewürze und frische Kräuter die Hauptakteure. Wenn man schon allein die Bilder genießt der Süßkartoffelsuppe mit Erdnüssen, der Canneloni mit Ruccolafüllung oder der Paprika-Tortilla, wird’s einem wohlig warm.

Agnes Prus / Fotos von Annamaria Zinnau:
„Cosy Kitchen – deftig vegetarisch“
EMF Verlag, 160 Seiten, 28 Euro
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Zum Nachtisch oder Frühstück, Kaffee, Tee oder zwischendurch gönnt euch was aus „Zimtschnecke und Dinkelbrot – Backen ohne Kneten“ von Ina-Janine Johnsen. Das Buch bietet Süßes und Pikantes für Leute, die es etwas eiliger haben und keine Maschinen oder Handmuskeln für langes Kneten haben. Brioches mit Früchten oder Schoko oder Pistazien für eure Süßen oder Pizza, Brot oder besondere Brötchen für die Herzigen – nicht nur vegetarisch – machen hier Appetit. Ergänzt wird dies durch Wissenswertes zum Brotbacken und zu gesunden Zutaten im Allgemeinen.

Ina-Janine Johnsen:
„Zimtschnecke und Dinkelbrot – Backen ohne Kneten“
Steinberg Verlag, 248 Seiten, 32 Euro
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Zwei Buchtipps: „Endling“ und „Schreibers Naturarium“ von Jasmin Schreiber

Ein Hammerbuch. Nein, eigentlich zwei bemerkenswerte Bücher solltet ihr euch unbedingt ansehen, beide von einer ziemlich jungen Autorin UND Biologin, die unglaublich viel weiß und wunderbar spannend schreiben und auch illustrieren kann: Jasmin Schreiber, Jahrgang 1988. In ihrem neuesten Roman „Endling“ erzählt sie es eine dystopische Story über die Biologin Zoe im Jahr 2041. Es geht um eine Suche, ganz besondere Verlusterfahrungen, neue alte Grenzen für Frauen, eine entbehrungsreiche Wanderung durch den schwedischen Wald, die Hausschnecke namens HP14 und ganz viel Natur.

Jasmin Schreiber weiß, wovon sie schreibt. Ähnlich faszinierend ist „Schreibers Naturarium“, ein aufwendig gestalteter Naturführer, der verschiedene Phänomene aus der Flora und Fauna im Jahresablauf beschreibt. Ebenfalls lesenswert.

Jasmin Schreiber:
– „Endling“, 336 Seiten, 23 Euro, Ansehen im Onlineshop
– „Schreibers Naturarium“, 352 Seiten, 26 Euro, Ansehen im Onlineshop
beide im Eichborn Verlag erschienen

 

Buchtipp: Historischer Spannungsroman – „In meines Vaters Haus“ von Joseph O‘Connor

Ein atmosphärisch besonders dichter und historisch spannender Roman: „In meines Vaters Haus“ von Joseph O‘Connor. Im Winter 43/44 agiert im Vatikan eine als Chor getarnte Widerstandsgruppe um den irischen Priester Hugh O‘Flaherty. Unter großer Gefahr versucht die Gruppe, zahlreichen Schutzsuchenden zu helfen. Rom ist besetzt von den Deutschen und der Gestapo-Chef ist der Widerständlern dicht auf den Fersen. Was hat O’Flaherty vor? Der Geschichts-Thriller, inspiriert durch historisch dokumentierte Begebenheiten, bietet einige überraschende Wendungen, Hochspannung und eindrückliche Charaktere.

Joseph O‘Connor: „In meines Vaters Haus“
C. H. Beck, 384 Seiten, 26 Euro
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Buchtipp: Poetisch und sinnlich – „Die Gouvernanten“ von Anne Serre

Fühlt Ihr Euch nach den Feiertagen dem literarischen Sinnesrausch schon wieder gewachsen? Dann nehmt dies: ein Buch, das absolut aus der Reihe fällt: „Die Gouvernanten“ von Anne Serre. Éleonore, Inès und Laura sollen sich um die Kinder des Ehepaares Austeur kümmern. Das tun sie auch, aber eher nebenbei. Vor allen inszenieren die drei Grazien auf dem Anwesen rauschhafte Feste und leben ihre sinnlichen Triebe aus. Verirrt sich mal ein Mann in ihr Reich, begeben sich die drei auf die Jagd und schwelgen in ihrer Leidenschaft an der bald erlegten Beute. Bei ihren Aktivitäten werden sie vom Nachbarn durch sein Fernrohr beobachtet, bei dem dabei der Blutdruck endlich wieder in Wallungen gerät. Die drei Frauen sind von den Austeurs angestellt, haben aber die eigentliche Macht über das wilde Geschehen.

Sehr poetisch-sinnlich ist dieser kurze, faszinierende Roman der in Frankreich gefeierten Autorin. Geradezu überbordend wird von der Natur und den Gelüsten der drei Frauen erzählt, denen mann sich nur willenlos ergeben mag und kann. Hervorzuheben ist die Kreativität und poetische Eleganz, mit der die Übersetzerin, Patricia Klobusiczky das französische Original ins Deutsche übertragen hat. Etwas irre und wunderschön.

Anne Serre: „Die Gouvernanten“
Aus dem Französischen übersetzt von Patricia Klobusiczky
Berenberg Verlag, 95 Seiten, 22 Euro
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Buchtipp: „Baumgartner“ von Paul Auster

Ein ganz besonderes Literstur-Highlight zum Fest: In dem Roman „Baumgartner“ von Paul Auster begegnet uns das so reife wie energiereiche Leben eines alten Mannes. Professor Baumgartner, rund 70 Jahre jung, hat vor zehn Jahren seine Frau Anna durch einen Schwimmunfall verloren. Der Verlust hat ihn tief erschüttert. Noch immer schreibt er Anna sinnliche Liebesbriefe und bestellt reichlich Bücher, damit die Paketbotin, die ihn an seine verstorbene Frau erinnert, häufig vorbeikommt. Baumgartner spürt weiterhin reichlich Kraft sowie Inspiration und will die Gedichte seiner Frau veröffentlichen. Er verliebt sich sogar noch einmal und schmiedet Pläne für die Zukunft. Paul Auster hat mit diesem melancholisch-geistreichen Text einen Roman geschrieben, der eine tröstende und ermutigende Lektüre für verschneite oder verregnete Tage bietet. Nicht nur für Auster-Fans ein Genuss. Übertragen aus dem amerikanischen Englisch  hat dieses wie schon die meisten Bücher Paul Austers der Celler Übersetzer Werner Schmitz.Paul Auster: „Baumgartner“Rowohlt Verlag. 203 Seiten, 22 Euro
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